Geschichte
In geschützter Lage eines Inselarchipels in der Meerenge zwischen Dänemark und Schweden, wurde um 1.000 n. Chr. die Stadt Kopenhagen gegründet. Hier profitierte die Stadt im Laufe der Jahrhunderte von dem florierenden Handel zwischen Zentraleuropa und dem Baltikum. Bis in das 19. Jahrhundert erfolgte die Besiedelung ausschließlich innerhalb der Stadtmauern.1 Im Zuge der Industrialisierung stieg die Bevölkerungsdichte rapide an. Fehlende Hygiene und daraus resultierende Krankheiten wurden zunehmend zum Problem. Die Cholera Epidemie 1853 und eine wachsende Empörung der Bevölkerung über die vorherrschenden Zustände, führte zum Umdenken der Stadträte, die daraufhin erste Wohnprojekte außerhalb der Stadt initiierten. Gleichzeitig gründeten sich Arbeiterbewegungen, die Rechte für die sozial Schwachen einforderten. Der Verein aus Arbeiter*innen der Burmeister & Wain Werft baute, mit dem Ziel qualitativen und günstigen Wohnraum zu schaffen, insgesamt zehn Quartiere mit 1.776 Wohnungen, davon 480 in den „Kartoffel-Reihen“ im Stadtteil “Kopenhagen K”. Die ursprüngliche Nutzung der Fläche als Kartoffelfeld gab dem Quartier seinen heutigen Namen. Bis in die 1970er Jahre wurden die Reihenhäuser als Mehrfamilienhäuser von bis zu drei Parteien bewohnt, standen dann allerdings durch den schlechten baulichen Zustand kurz vor dem Abriss. Im Zuge der notwendigen Renovierungen, wurden die Reihenhäuser zu Einfamilienhäusern umgebaut und zählen heute zu den beliebtesten und teuersten Wohnräumen in ganz Kopenhagen.2
Regelwerke
Die 480 Reihenhäuser des Kartoffelquartiers sind auf einer Grundfläche von 72.000 m² gebaut und in elf Blöcken angeordnet. 25 m breit und zwischen 115 m bis 183 m lang, werden diese von ungefähr 16 m breiten Straßen voneinander getrennt. Die rund 6 m breiten und 9 m tiefen zweieinhalbgeschossigen Untereinheiten ähneln sich in ihrer Grundstruktur. Gewisse Unterschiede in der Bauart lockern allerdings die ansonsten homogenen Reihen auf.
Die Gebäudeanordnung folgt einem klaren Rhythmus, der durch die Eckhaustypen gerahmt wird. Dazwischen variieren Giebeldächer und Zwerchdächer, die durch ihre Dachformen, Vorsprünge, Rücksprünge und unterschiedlichen Breiten verschiedene Grundrisskonfiguration aufweisen. Das Quartier ist baurechtlich geschützt. Es kann daher zwar teilweise im Grundriss und Erscheinungsbild, nicht aber im Bauvolumen verändert werden.3 Hauptsächlich werden die Reihenhäuser als Einfamilienhäuser genutzt, vereinzelt haben Bewohner*innen Einliegerwohnung integriert. Im Erdgeschoss befinden sich in der Regel Küche und Wohnbereich und in den oberen Geschossen Schlaf- und Gästeräume. In der ursprünglichen Planung orientierte sich die Küche zum Innenhof.4 Im Zuge der Renovierungen wurden kleine Räume und Kammern allerdings häufig zusammengeschaltet, um offene Koch- und Wohnbereiche zu generieren.
Entwicklung
Die Arbeitersiedlung veränderte sich bis ca. 1970 nicht wesentlich in ihrer Nutzung und Konfiguration.1 Als die Kommune in den 1970er Jahren die Siedlung abreißen wollte, konnten die Bürger*innen stattdessen die Renovierung der Bausubstanz und die Veränderung des Wohnangebotes durchsetzen.2 Um das Quartier kinderfreundlich und sicher zu gestalten, wurden außerdem Spiel- und Freizeitflächen auf den autofreien Mittelbereichen der Straßen integriert.1 Mittlerweile zählt das Viertel zu einem der lebenswertesten in Kopenhagen und dient unter anderem als Inspiration für Architekten wie Bjarke Ingels und Jan Gehl.3 Eine extrem hohe Nachfrage bedingt Marktpreise im Millionenwert.2 Die Beliebtheit begründet sich vor allem in der zentralen Lage des Viertels und den Proportionen der städtebaulichen Setzung. Die kompakten Grundrisse entsprechen zeitgenössischen Wohnvorstellungen und die Freiraumgestaltung fördert eine Interaktion mit der Nachbarschaft im öffentlichen Raum.2
Verkehr und Infrastruktur
Befand sich das Gebiet während der Industrialisierung um 1850 noch in Randlage, führte das exponentielle Stadtwachstum im frühen 20. Jahrhundert zu der heutigen „zentralen Lage“ der Kartoffelreihen.1 Das Quartier wird gegenwärtig durch zwei große Straßen gerahmt, die westlich und östlich der Reihen entlangführen. Querstraßen, die ausschließlich für den Anliegerverkehr vorgesehen sind, verbinden die beiden Achsen. Der verkehrsberuhigte Bereich der Straßenmitte ist von einer Parkplatzfunktion ausgeschlossen. Südlich schließt die Fredensgade an, die in eine größere Zugangsstraße Richtung Westen übergeht. Durch die Sammelstraßen am Rand des Quartiers, entsteht innerhalb des Viertels kein Durchgangsverkehr. Die Flächen werden lediglich für das Abstellen von Autos und Fahrrädern genutzt. Die umliegenden S-Bahn- und Metro-Stationen Østerport, Nørreport und Trianglen binden das Gebiet an den öffentlichen Nahverkehr an. Buslinien fahren auf der östlich liegenden Øster Farimagsgade.
Öffentlicher Raum
Im Wesentlichen lassen sich zwei markante Raumsituationen ablesen. Zum einen der öffentliche Platzraum vor den Kopfseiten der Anliegerstraßen und zum anderen der Straßenquerschnitt zwischen den Reihen, der durch die Vorzonen der Reihenhäuser als besonderer Stadtraum ausgebildet wird. Die Vorgärten bilden durch ihre Gestaltung aus Bepflanzung, Zäunen und kleinen Terrassen eine Schwelle zur öffentlichen Straße aus. Unterschiedliche Pflasterbeläge differenzieren außerdem die Übergänge zum Straßenraum.3 Dank des geringen Verkehrsaufkommens kann dieser von den Bewohner*innen durch verschiedene Interventionen bespielt werden. So werden in den autofreien Zonen Spielgeräte wie Fußballtore, Basketballkörbe und Tischtennisplatten sowie am Straßenrand Kinderhäuser und Sandkästen aufgestellt. Vor den Hauseingängen stehen Sitzmöbel, die zum Verweilen einladen und die hohe Aufenthaltsqualität der Siedlung verdeutlichen. Die Summe dieser Faktoren fördert das Miteinander der Nachbarschaft im öffentlichen Raum.
Programme
Die Reihenhäuser werden fast ausschließlich als Wohnhäuser genutzt. Die Adressbildung erfolgt über die Querstraßen. Die Eckhäuser werden vom Innenhof erschlossen und sind damit den seitlichen Sammelstraßen zugehörig. Im Grundriss lassen sich die ursprüngliche Raumaufteilung (Küche, Wohnraum) und Erschließung trotz der Eingriffe der 1970er Jahre weiterhin ablesen.4 Die Gestaltung der Vorzonen jeder Parzelle unterliegt den Bewohner*innen. Durch Möblierung und Bepflanzung können sie als Terrassen, Beete, Balkone oder schlichte Aufenthaltsflächen genutzt werden. Ergänzt werden diese halbprivaten Freiflächen durch kleine private Gärten im hinteren Teil der Parzelle. An der Kopfseite der Reihenbebauung, die sich östlich zu der Øster Farimagsgade orientiert, befinden sich im Erdgeschoss einzelne Dienstleister*innen und Geschäfte: unter anderem mehrere Cafés und ein Architekturbüro.
Auch interessant
Autor*innen
Quellen
- Simpson, Deane et al.: Atlas of Copenhagens, S. 96, 116ff, Berlin 2018
- Rix, Randi: Kartoffelraekkerne.dk. Die Kartoffelreihen. https://kartoffelraekkerne.dk/die-kartoffelreihen/, 12.02.2020
- Grzesikowska, Honorata / Grzesikowska, Margaret: Urbanitarian. Copenhagen. http://urbanitarian.com/portfolio/kartoffelraekkerne-osterbro-copenhagen/, 11.02.2020
- Bøttger, Frederik: Det Kgl. Bibliotek: Danmarks Kunstbibliotek. København, Arbejdernes Byggeforening/B & W arbejdernes boliger Farimagsgadekvarteret / Kartoffelrækkerne - Farimagsvej, Wiedeweltsgade. http://kunstbib.dk/samlinger/arkitekturtegninger/vaerker/000056054/2, 11.02.2020