Die Vision von Sir Titus Salt war die Arbeits- und Lebensstandards der Angestellten seiner Textilfabrik zu verbessern und so entsteht an der Aire die von „terraced houses“ und einheitlichen Backsteinfassaden geprägte Arbeitersiedlung. Die klare städtebauliche Struktur hat sich seit der Fertigstellung 1875 kaum verändert, Saltaire durchlebte aber in den 60er-Jahren eine grundlegende gesellschaftliche und funktionale Transformation.

Geschichte

Saltaire war die Vision von Sir Titus Salt (1803-1876), einem Unternehmer des 19. Jhd. Die Siedlung mit der dazugehörigen Textilfabrik verfolgte die Absicht Arbeits- und Lebensstandards der Angestellten zu verbessern1. Architekten des Masterplans waren Lockwood und Mawson 2.1853 wurde der erste Teil der Fabrik eröffnet3, zehn Jahre später wurde das gesamte Areal fertiggestellt2. Mit Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 1875,erwies sich Saltaire als eine funktionierende Arbeitersiedlung mit sozialer Infrastruktur, wie bspw. einem Krankenhaus und einer Kirche3.

Nachdem in den 1960ern große Teile der Fabrik und des Bahnhofs den Betrieb eingestellt waren, sank die Einwohnerzahl des Ortes stetig. Viele der Häuser standen leer und wurden erst 1985 als schützenswerte historischen Bauten unter Denkmalschutz gestellt. Zwei Jahre später eröffnete Jonathan Silver (1949-1997)4 die ‚1853 Gallery mit einer freien Ausstellung von David Hockney in der alten Fabrik. In den folgenden Jahren restaurierte der Unternehmer weitere Teile der Fabrikanlage und schuf somit das heutige Kunst- und Kulturzentrum. Finanziert wurden die Restaurierungen durch den Verkauf von Büroflächen, unteranderem an den National Health Service und die Vermietung von neugeschaffenen Wohnflächen. 2001 wurde Saltaire zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt3.

Übersichtsplan

Regelwerk

Drei Gebäudetypologien definieren die viktorianische Arbeitersiedlung. Die Fabrik ist strategisch zwischen der Aire und den Bahnschienen gelegen. Die großmaßstäbliche Hallenstruktur hebt sich deutlich von den Sonderbausteinen und dem Wohngebiet ab. Die Victoria Road bildet die Hauptachse der Siedlung - an ihr liegen Institutionen wie die Kirche, das Krankenhaus oder auch die Armenhäuser. Mit einer an die Funktion angepasste Dimensionierung, sind die Gebäude städtebaulich gut ablesbar.

Die klare Struktur wird von den zweigeschossigen „terraced houses“3 geprägt. Durch niedrige Mauern werden auf den Rückseiten der Wohneinheiten private Hinterhöfe ausgebildet, welche durch einen schmalen Wirtschaftsweg erschlossen werden. Die Fassade spiegelt mit ihrer einheitlichen Backsteinmaterialität und ausschließlich zweckmäßigen Öffnungen die Klarheit des städtebaulichen Konzeptes wider. Die Eckbebauungen heben sich durch einen Vorsprung zum Straßenraum und ein Zeltdach von den Zeilenbauten ab. An wichtigen Knotenpunkten des Gebiets werden die Kopfbebauungen durch ein weiteres, drittes Geschoss betont3.

Sonderbausteine
Straßenschnitt
Grundriss Typ 1
Grundriss Typ 2

Entwicklung

Mitte der 1980er beschloss die Stadtplanungsbehörde Gestaltungsrichtlinien, die zur Erhaltung der „viktorianischen Ästhetik“3 Saltaires beitragen sollte. Unter anderem finanzierte die English Heritage’-Organisation mit bis zu 40 % die Restaurierung von „original-style“3 Türen und Fenstern.

Die durch Jonathan Silver initiierte Sanierung und Transformation der alten Textilfabrik zu einem Forum für Kunst und Kultur, bspw. die Eröffnung der 1853 Gallery mit Werken von David Hockney3, legten den Grundstein für ein ‚zweites’ Saltaire. In den folgenden Jahren etablierte sich eine örtliche Künstlerszene. Auch die Inbetriebnahme des lang stillgelegten Bahnhofs 1986 belebte die Siedlung erneut. Viele bis dahin leer stehende Reihenhäuser wurden wieder bezogen. Die Vermietung von Büroflächen, unter anderem an junge Hightech Firmen, schuf zusätzlich ein Angebot an Arbeitsplätzen innerhalb der historischen Fabrikgebäude3.

Aufgrund der ausgeprägten Kulturangebote, der guten Anbindung und den erfolgreichen Hightechfirmen wurde das Wohnen dort exklusiv und Saltaire erfuhr einen Gentrifizierungsschub. Das 2003 gegründete „Saltaire Festival“ trug zu der immer weiter wachsenden Popularität in der Kunst- und Kulturszene bei.

Obwohl sich der Städtebau seit der Fertigstellung 1875 kaum verändert hat, hat Saltaire eine grundlegende gesellschaftliche und funktionale Transformation durchlebt3.

Ansicht Reihenhaus

Verkehr

Saltaire wird im Süden, durch die in Ost-West-Richtung orientierte Saltaire Road erschlossen. Im Norden ist das Gebiet durch einen eigenen Bahnhof an das nationale Bahnnetz angebunden. Das für das Gebiet neu geplante Straßenraster geht formal nicht auf den Verlauf der historischen Saltaire Road ein, die eine Anbindung an die Städte Shipley, Bradford und Leeds sowie weiterführenden, überregionale Straßen schafft. Stattdessen sieht das neue Verkehrskonzept wiederkehrende Prinzipien und Hierarchien vor: Die Hauptachse, die Victoria Road, erschließt das Gebiet in Nord-Süd-Richtung und trifft am südlichen Ende auf die Saltaire Road (A 657). Von der Victoria Road führen zwei Querstraßen durch das Wohngebiet, die von orthogonalen Stichstraßen gekreuzt werden. Über diese Stichstraßen werden die Reihenhäuser erschlossen. Wirtschaftswege, die fußläufig genutzt werden, verbinden rückseitig zwei Zeilen der Reihenhäuser.

Verkehrskonzept
Verkehrswege

Öffentlicher Raum

Der öffentliche Raum sowie die geplante Vegetation stehen, wie das Regelwerk und das Verkehrskonzept, im Zusammenhang mit der Nutzungsstruktur. Im Wohngebiet begrenzt sich der öffentliche Raum auf den Straßenraum. Gemeinschaftlich genutzte Gebäude, wie die Schule oder die Victoria Hall, werden durch Vorplätze hervorgehoben und generieren städtische Räume.

Geplante Freiraumgestaltung liest sich im Bereich der Wohnbebauung nicht ab. Durch die Hierarchisierung der Straßen im Bereich des Wohnviertels entstehen dennoch verschiedene Grade an Öffentlichkeit. Durch die bereits genannten Mauern, die auf den Rückseiten der Reihenhäuser kleine Hinterhöfe abgrenzen, entsteht, trotz des öffentlichen Wirtschaftsweges, ein hoher Grad an Privatheit.

Einen Gegensatz zu der nicht vorhandenen Freiraumgestaltung im Wohnviertel bietet der nördlich vom Fluss Aire gelegene Roberts Park. Er bildet, zusammen mit der südlich der Fabrik gelegenen Kleingartenkolonie, einen Rahmen für die Freizeitgestaltung der Bewohner.

Grünflächen

Programme

Die drei Gebäudetypologien des Ortes definieren stark die Nutzungsstrukturen Saltaires.

Im Wohngebiet dienen die zweistöckigen Zeilenbebauungen ausschließlich der Wohnnutzung. In den teils dreigeschossigen Kopfbauten der Reihenhauszeilen werden vereinzelt Erdgeschosse zusätzlich gewerblich genutzt. Die Erdgeschosszone der Victoria Road bildet in Verbindung mit der Fabrik und den gemeinschaftlich genutzten Institutionen, wie der Schule und der Kirche, das gewerbliche und gesellschaftliche Zentrum Saltaires.

Ansicht Kopfbebauung
 

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Autor*innen

  • Leon Schreiber (Leibniz Universität Hannover, Abteilung für Stadt- und Raumentwicklung, Wintersemester 2019)
  • Pia Schulenberg (Leibniz Universität Hannover, Abteilung für Stadt- und Raumentwicklung, Wintersemester 2019)

Quellen

  1. Pettinger, Tejvan: Biography online. Biography of Sir Titus Salt. https://www.biographyonline.net/business/sir-titus-salt.html, 05.11.2019
  2. Posener, Julius: „4. Vorlesung: Arbeitersiedlung der Unternehmer (Paternalismus)“. In: Arch+, 63/64/1982, S. 29-35, 1982
  3. Haughton, Graham: „Saltaire – not yet utopia“. In: Town and country planning: the quarterly review of the Town and Country Planning Association, S. 394, 395-401, 2010
  4. Salts Mill. Biography Jonathan Silver. http://www.saltsmill.org.uk/pdf/jonathan.pdf, 11.02.2020
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