Greenwich Village blieb vom enormen Wachstum Manhattans verschont und wurde so zu einer städtebaulichen Enklave. In dieser besonderen Struktur bildete sich ein kulturelles Zentrum der USA. Auch wenn die Zeit als Künstlerhauptstadt längst vergangen ist, konnte die bauliche Einzigartigkeit durch den Einsatz der Bewohnenden erhalten werden.

Geschichte

Im 17. Jahrhundert entstand entlang des Hudson River eineSiedlung amerikanischer Ureinwohner*innen mit Tabakplantagen.1 Daher lautetet der ursprüngliche Name des Villages „Sapokanikan“, was übersetzt „Tabakfelder“ heißt.2 Zu Beginn erbauten die Bewohnenden ihre Häuser direkt auf den Plantagen.3 Im Laufe der Zeit verschwanden die Felder und wurden durch Fabriken ersetzt.2 Das daraus entstandene Straßennetz Manhattans war bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts unübersichtlich und unorganisiert. Der Commissioner Plan, der 1811 große Flächen der Insel in gleich große Blöcke unterteilte, wurde somit auch auf das Village angewendet. Aufgrund der hohen Populationsdichte im Süden Manhattans sollten dort weniger Veränderungen vorgenommen werden, um flächendeckende Umsiedlungen zu vermeiden.4 Die besondere städtebauliche Struktur des Greenwich Village blieb somit speziell im Historic District erhalten.1 Die steigende Attraktivität der anderen Viertel im Norden Manhattans zog die wohlhabende Bevölkerung der Stadt an, sodass die Mietpreise des Greenwich Village sanken. In den kommenden Jahren lockte der Stadtteil insbesondere Künstler*Innen und Literaten*Innen an.1 Heute leben über 22 000 Personen im Village.

Übersicht
Vergleich Raster

Regelwerke

Die meisten Gebäude, die man im Village vorfindet, sind sogenannte Mid-Rise Wohnungen: Reihenhäuser aus dem 19. Jahrhundert, die einen scharfen Kontrast zu den Hochhäusern in Mid- und Downtown Manhattan darstellen.1

 

Blockrandbebauung
aufgelöster Cluster
 
Solitär
 
Kontrast Greenwich Village und restliches Manhattan

Die Bebauung ist durch ungleichmäßige Blockstrukturen geprägt. Besonders im West Village entsteht ein unorganisiertes Straßennetz, da die Ausrichtung der Blöcke überwiegend am Hudson River orientiert ist. Die Typologien variieren von einer geschlossenen Blockrandbebauung, über ein aufgelöstes Cluster bis hin zum Solitär. Die Gebäudehöhen des Village orientieren sich besonders im Bereich der Stadtteilgrenzen an der umgebenen Bebauung. Bewegt man sich von den Grenzen weg in Richtung Zentrum, nehmen die Höhen deutlich ab. Die Gebäude im Greenwich Village Historic District besitzen überwiegend <4 Geschosse (70 %), nur etwa 25 % sind 5- oder 6-geschossig.5 In Greenwich sind unterschiedliche historische Baustile vertreten, wie Georgian RevivalFederal Style, Greek Revival und Italianate.5 Seit 1969 steht das Viertel zum Teil unter Denkmalschutz.7

Entwicklung

Die zunehmende Anzahl an hohen Bauwerken sorgte für einen schluchtartigen Charakter der Straßen mit verschatteten Zwischenräumen. Inkompatible Nutzungen, wie beispielsweise Wohnen und Schwerindustrie, fanden in unmittelbarer Nachbarschaft statt.9 Um diesen aufkommenden Problematiken entgegenzuwirken, wurde im Jahr 1916 in New York die erste „Zoning Resolution“ des Landes gegründet – eine Bauvorschrift der Stadtverwaltung von New York.8 Diese bestimmt die Flächennutzung, Nutzungsintensität sowie die Gestaltung und Dimensionierung der Gebäude. Die gesamte Stadt wurde in Distrikte gegliedert, mit zugeordneten Flächennutzungen (Wohngebiete, Gewerbegebiete, Industriegebiete und Parks).10 Der Plan wird regelmäßig reformiert, um eine Anpassung an aktuelle Bedingungen gewährleisten zu können. Zu den jüngsten Erneuerungen zählen die Einführung von „Mixed-Use Districts“ und „Inklusionszonen“. Letztere erlauben Eigentümer*innen die Errichtung höherer und größerer Gebäude unter der Voraussetzung, einen bestimmten Anteil als Sozialwohnungen zu schaffen.9 1955 schlug der einflussreichste Stadtplaner New Yorks, Robert Moses, den Bau einer großen erhöhten Straße durch Greenwich Village vor. Seine Pläne  folgten den Ideen einer autogerechten Stadt und ignorieren das historisch gewachsene Gewebe von Greenwich Village. Jane Jacobs, selbst Bewohnerin des Village, war die prominenteste Gegnerin der Pläne. Sie plädiert für eine gewachsene, dichte und durchmischte Stadt.16 Aus der Gegenbewegung entwickelte sich ein Verlangen nach Denkmalschutz der besonderen Stadtstruktur. Der Erhalt wurde zum Ethos der Bewohnenden. Die darauf gegründete New York City Landmarks Preservation Commission (LPC) wies im Folgenden das “Greenwich Village Historic District” aus. Dadurch sind große Teile des West Village geschützt. Noch heute kämpfen Aktivist*innen um die Ausweitung der unter Denkmalschutz gestellten Gebiete.17

Graustufenplan

Verkehr und Infrastruktur

Die Erschließung des Stadtteils erfolgt über den westlich gelegenen Highway, zwei Zuglinien und drei U-Bahnlinien.7 Das Village wird auf drei Seiten von Straßen und im Westen vom Hudson River begrenzt.11 Die Straßenstruktur unterscheidet sich dabei stark vom symmetrischen Straßenraster der anderen Stadtteile. Im Village verläuft die Struktur parallel bzw. vertikal zum Hudson River und ist gekennzeichnet durch viele schmale und unregelmäßig Straßen und Gassen.1 Die 6th Avenue teilt Greenwich Village in zwei Gebiete. Während westlich der 6th Avenue das unstrukturierte Straßennetz den historischen Kern bildet, ist die östliche Seite von einem konsequenten Straßenraster geprägt, welches sich mit den umliegenden Stadtteilen verknüpft. In diesem Gebiet liegt die teuerste Wohngegend des Village.7 Die 5th Avenue, eine hoch frequentierte Hauptachse, startet am Washington Square Arch und führt mittig durch gesamt Manhattan, dann östlich am Central Park entlang und endet an der 142 Street in Harlem.12 Die Hausnummern spiegeln sich an dieser Achse und werden höher desto weiter sie entfernt sind. Daher bekommen die Hausnummern je nach Lage die Ergänzung „West“ oder „East“.11 Die vom Norden nach Süden verlaufenden Längsstraßen tragen den Zusatz „Avenue“. Quer von Osten nach Westen verlaufende Straßen erhalten den Zusatz „Street“. Fast alle Straßen sind Einbahnstraßen, ausgenommen der West Houston Street, 14th Street, Greenwich Avenue und Laguardia Place.11

Verkehr
 
5th Avenue
74 Perry Street
7th Avenue

Öffentliche Räume

Im Village finden sich zahlreiche Parks und Squares13, die mit ihrer vielfältigen Freiraumgestaltung Platz zur Aneignung und zum Verweilen bieten. Hierzu zählt der Washington Square Park, Christopher Park, Jefferson Market Garden und Abingdon Square Park. Die unbebauten Freiflächen in den Blöcken wurden im Laufe der Zeit zu offenen Grünräumen entwickelt, sogenannte Privately Owned Public Spaces (POPS). Damit können Bauherr*innen die zulässige Geschossflächenzahl deutlich überschreiten. Im Gegenzug müssen sie einen Teil ihres Grundstückes als öffentlichen Raum gestalten. Der halbprivate Innenhof innerhalb der Blockrandbebauungen ist die häufigste Form des Freiraums und ist teilweise vom öffentlichen Straßenraum zugänglich.14 In Blöcken mit großen Baukörpern schreibt die Zoning Resolution Freiräume vor, die dann als öffentliche Stadtplätze/ -gärten gestaltet werden. Außerdem entstehen auf Parzellen, die unbebaut geblieben sind, sogenannte „Pocket Parks“ oder „Community Gardens“. Oft grenzen diese unmittelbar an den Straßenraum und sind meistens öffentlich zugänglich. Sie werden in der Regel gemeinschaftlich durch die Zusammenarbeit von verschiedenen Akteure*innen gestaltet und entwickelt.

Öffentliche Räume

Programme und Nutzungen

Das Village ist durch eine hohe Nutzungsmischung geprägt. In den Erdgeschosszonen sind größtenteils öffentliche Nutzungen, wie Gastronomie und Einzelhandel vorzufinden. Vor allem die kleinen Läden, Cafés, Bars, Restaurants und Theater zeichnen den Charakter der Gegend aus.15 Um den Washington Square Park  herum befindet sich die wohlhabendste Gegend des Village, in dem sich die ortsprägenden Häuser mit den prächtigen Treppenaufgängen befinden. Die Erschließung dieser Häuser ist als Split-Level angelegt, wodurch sich die Erdgeschosszone vom Straßenraum räumlich distanziert. Im Village sind ebenfalls Gebäude mit ausschließlich öffentlichem Programm vorhanden. Diese sind entweder durch ihr Solitärstellung oder aufgrund ihrer Gebäudehöhe in der Stadtstruktur ablesbar. Besondere Bausteine sind u. a. der Universitätskomplex am Washington Square Park und die Jefferson Market Library.

Erdgeschossnutzungen

Washington Arch
Nutzungsstrukturen im Erdgeschoss
Erdgeschosszonen mit Gartenerschließung

Künstlerparadies

Auf der Suche nach niedrigen Mieten und der Akzeptanz ihrer Nonkonformität ließen sich um 1900 avantgardistische Autor*innen und Künstler*innen im Greenwich Village nieder. Bald erlangte das Viertel als Enklave der Bohème Bekanntheit.19 Ausgehend von einer Gruppe von Autoren, der Beat-Generation, durchsetzte das Village ab den 1950er-Jahren ein Gefühl der Rastlosigkeit und Freiheit. Es entstand eine Caféhauskultur, in der Poet*innen und Künstler*innen auftraten, während kleine Theater mit ihren unkonventionellen Stücken den “Off-Off-Broadway” bildeten. Eine lebendige Jazz- und Folk-Szene spielte den Soundtrack dieser atemlosen Kultur. In der Folge trafen immer mehr Kunstschaffende aus allen Teilen der USA im Greenwich Village aufeinander. Ab den 1960er-Jahren begann sich eine LGBT Szene in dieser durchmischten Gesellschaft zu formen, die später zu einer landesweiten Bewegung für die Rechte von LGBT-Personen heranwuchs.20 Spätestens mit den explodierenden Mieten ab 1990 verließen die Künstler*innen Greenwich Village und zogen in andere Teile New-Yorks. Mittlerweile ist das Village einer der teuersten Stadtteile der USA. Das hohle Image als Künstlerparadies wird jedoch durch eine Nostalgiekultur der Bewohnenden erhalten.21

 

Auch interessant

Autor*innen

  • Lorenz Behrendt (Leibniz Universität Hannover, Abteilung für Stadt- und Raumentwicklung, Wintersemester 2021)
  • Nina Förster (Leibniz Universität Hannover, Abteilung für Stadt- und Raumentwicklung, Sommersemester 2020)
  • Silvilay Akyürek  (Leibniz Universität Hannover, Abteilung für Stadt- und Raumentwicklung, Sommersemester 2020)

Quellen

  1. New York Reisen Blog. Greenwich Village, ein Dorf mitten in Manhattan New York. https://www.newyork-reisen.de/blog/new-york-sehenswuerdigkeiten/greenwich-village/, Stand: 03.05.2020
  2. Ephemeral New York. New York City’s tobacco-producing past. https://ephemeralnewyork.wordpress.com/2010/11/01/new-york, 01.11.2010
  3. Jeier, Thomas: New York: Lebensart, Kultur & Impressionen, 2011
  4. Collins, Meaghan: Village preservation Blog. Happy Birthday to the Manhattan Street Grid!. https://www.villagepreservation.org/2015/03/20/the-manhattan-street-grid-turns-204-today/, 20.03.2015
  5. Moskowitz, Sam: Village preservation Blog. Greenwich Village Height and Density Map Now Available on GVSHP Website. https://www.villagepreservation.org/2015/08/04/greenwich-village-height-and-density-map-now-available-on-gvshp-website/, 04.08.2015
  6. Wikipedia. Greenwich Village. https://en.wikipedia.org/wiki/Greenwich_Village, 14.05.2020
  7. NYC Landmarks Preservation Commission. https://www1.nyc.gov/site/lpc/index.page, Stand: 13.06.2020
  8. Wikipedia. Zoning Resolution. https://de.wikipedia.org/wiki/Zoning_Resolution_für_New_York_City, 25.05.2019
  9. ZoLa. NYC's Zoning & Land Use Map. https://zola.planning.nyc.gov/about/#9.72/40.7125/-73.733, 13.06.2020
  10. Mein Trip nach New York. Wie finde ich mich in New York zu Recht. https://meintripnachnewyork.com/blogs/gut-zu-wissen/wie-sich-in-new-york-zu-recht-finden, 30.05.2020
  11. Wikipedia. Fifth Avenue. https://de.wikipedia.org/wiki/Fifth_Avenue, 20.11.2019
  12. Knight Lab. Public spaces in Greenwich Village. https://uploads.knightlab.com/storymapjs/08c5f5211368fae452318a427f546fe9/public-spaces-in-greenwich-village/index.html, Stand: 01.06.2020
  13. Wang, Kang / Bhowmik, Dipayan: Stadtland.Studio. Dichte Freiraum East Village. https://stadtland.studio/dichte-freiraum-east-village/, Stand: 30.05.2020
  14. Loving Ney York. Insider guide Greenwich Village East Village. https://lovingnewyork.de/insider/insider-guide-greenwich-village-east-village/, Stand: 31.05.2020
  15. Paletta, Anthony: The Guardian. Story of cities #32: Jane Jacobs vs Robert Moses, battle of New York's urban titans. https://www.theguardian.com/cities/2016/apr/28/story-cities-32-new-york-jane-jacobs-robert-moses, 28.04.2016
  16. Walser, Laura: National Trust for Historic Preservation. A Tale of Two Planners: Jane Jacobs vs. Robert Moses. https://savingplaces.org/stories/a-tale-of-two-planners-jane-jacobs-and-robert-moses#.Yel_GhPMJfU, National Trust for Historic Preservation 14.04.2016
  17. Library of Congress. Bohemia in Greenwich Village: Topics in Chronicling America. https://guides.loc.gov/chronicling-america-greenwich-village, Stand: 30.05.2020
  18. Dolan, Thomas: Greenwich Village. History of New York City, Seton Hall University. New York 2017
  19. Harris, Paul: The Guardian. New York's heart loses its beat. https://www.theguardian.com/world/2005/aug/14/arts.usa, 14.08.2005
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