Geschichte
Die Siedlung Makoko ist ein Teil der wachsenden Millionenmetropole Lagos. 1 In der größten Stadt Nigerias leben von den rund 18 Millionen Einwohner*innen über die Hälfte in Armenvierteln und informellen Siedlungen. Makoko ist mit ungefähr 100.000 Einwohner*innen die größte dieser Siedlungen. Die circa 200 Jahre alte Siedlung entstand im 18. Jahrhundert als Fischersiedlung in der Lagune von Lagos.2 Neben dem Fang und der Zubereitung von Fisch ist auch die Verarbeitung von Baumstämmen in einem lokalen Sägewerk eine wichtige Lebensgrundlage für die Bewohner*innen Makokos.3
Die Menschen in Makoko leben häufig schon seit Generationen in der Siedlung1 und haben ihre Wege gefunden im und mit dem Wasser zu leben.4 Da es in der Siedlung an vielem mangelt, bedingt durch die große Armut, die extreme Dichte und diverse Umwelteinflüsse, spielen Selbstorganisation, Improvisation und soziales Miteinander eine große Rolle im Leben der Bewohner*innen Makokos.5
Strukturelle Merkmale
Makoko zeichnet sich als informelle Siedlung aus, welche prozesshaft gewachsen ist und dabei keinen auferlegten Regeln folgt, sondern vom Wasser und den zur Verfügung stehenden Baumaterialien geprägt ist. Die einfachen, aber anpassungsfähigen Gebäude sind so angeordnet und organisiert, dass Kanus – die wichtigsten Fortbewegungsmittel – zwischen ihnen passieren können.6 Da das Wasser in der Lagune überwiegend nur 1,5 m tief ist, können Holzpfähle im Boden befestigt werden, die als Tragstruktur für die Häuser dienen.3 In der Wissenschaft ist man sich uneinig, ob es sich bei den Pfahlbauten um eine traditionelle Bauweise aus dem 19. Jahrhundert handelt oder ob diese eher als neueres Phänomen entstanden sind.4 Die Häuser in Makoko werden in einer einfachen eingeschossigen Rahmenbauweise aus Bambus oder Holz, welches in den ortsansässigen Sägewerken verarbeitet wird, errichtet. Die Wände werden ebenfalls mit Holz verkleidet und die Dächer zumeist mit Wellblech oder Stroh gedeckt.6 Einige Gebäude bilden einen terrassenartigen Außenbereich aus.2 Die Wohnhäuser der Menschen sind immer wieder Überflutungen und steigenden Wasserständen ausgesetzt und können diesen, aufgrund von fehlenden Materialien und finanziellen Mitteln, häufig nicht standhalten.4 Deswegen müssen die Bewohner*innen oft auf provisorische Lösungen, wie Plastiktüten, zurückgreifen, um undichte Dächer oder Wände während der Regenzeit zu verschließen.7 Dennoch erweist sich Makoko als widerstandsfähig, was auf die fast autarke und pragmatische Lebensweise der Menschen zurückzuführen ist.4
Entwicklung
Die Metropole Lagos entwickelte sich aufgrund der enormen Ölvorkommen in Nigeria zu einem wichtigen Wirtschaftszentrum in Afrika. Durch die ungleiche Verteilung des Reichtums spaltet sich die Gesellschaft extrem in Arm und Reich. Während die Oberschicht in teuren Gated Communities lebt, sind die Haushalte in Makoko auf Generatoren angewiesen, um Strom zu erzeugen.5
Informelle Siedlungen sollen weichen, um Platz zu schaffen und das Image der Stadt nicht zu gefährden.1 Um einen Abriss von Makoko zu vermeiden, arbeiten Organisationen, Stiftungen und Büros an Projekten, die die Lebensumstände und -bedingungen verbessern sollen. Dabei wird das bereits vorhandene hohe Innovationspotenzial Makokos aufgegriffen.5
Ein solches Projekt ist der Bebauungsplan ”Makoko-Iwaya Waterfront Regeneration Plan“, der 2013 in Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung von dem Büro Fabulous Urban und soziale Organisationen, wie SERAC oder der Heinrich-Böll-Stiftung, erstellt wurde. Dabei sollen Schwächen Makokos, wie die ständige Gefahr von Überschwemmungen aufgrund der Lage oder die fehlende Infrastruktur für Abfallentsorgung und sanitäre Anlagen, zu Stärken werden und zur Entwicklung von zukunftsfähigen Lebensmodellen beitragen. Die anpassungsfähige Struktur bildet hier einen vielversprechenden Ausgangspunkt. Teil dieses Plans sind kleine Biogasanlagen auf dem Wasser vor, welche zusätzlich Platz für gemeinnützige Einrichtungen bieten, und somit als Nachbarschaftszentren fungieren.4
Eine weitere Methode den Folgen des Klimawandels in Makoko entgegenzuwirken sind schwimmende Gebäude. Als Prototyp entstand, ebenfalls 2013, eine schwimmende Schule.8
Verkehr und Infrastruktur
Die Infrastruktur Makokos bildet das Wasser, in das die Siedlung gebaut wurde und das einzige Fortbewegungsmittel ist das Boot. Die Holzkanus bringen die Menschen von Ort zu Ort, sind Arbeitsplatz und Einkaufsladen.1 Die Wasserstraßen entstehen als Kanäle zwischen den Häusern und weisen unterschiedliche Breiten auf. Breitere Hauptachsen führen in Richtungen Festland von West nach Osten. Von diesen Achsen ausgehend bildet sich Wegenetz aus kleineren Wasserstraßen. Zumeist sind die Kanäle in West-Ost-Richtung orientiert, aber es existieren auch einige Nord-Süd-Verbindungen.2 Die aufgeschütteten Sandflächen Flächen, die in Richtung Festland zu finden, sind bilden fußläufige Verbindungen zwischen den Häusern.
Öffentlicher Raum
Auch das öffentliche Leben findet größtenteils auf dem Wasser statt. Die Kanus, die zwischen den Häusern entlang gleiten, sind nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern werden auch als mobile, schwimmende Supermärkte, Drogerie, Banken und Boutiquen genutzt.9 Entsprechend der ins Wasser gebauten Struktur der Siedlung entstehen nur in Richtung des Festlandes einige wenige aufgeschüttete Plätze. Diese sind zumeist befestigte Sandflächen, welche von den Bewohner*innen gemeinschaftlich genutzt werden.
Trotz der sehr dichten Besiedlung und Armut in Makoko, gibt es nur wenig Kriminalität. Das liegt vor allem an dem gemeinschaftlichen, öffentlichen Leben. Durch den Handel und Austausch auf dem Wasser wird die Nachbarschaft gestärkt.3
Programm
Makoko ist in erster Linie eine Wohnsiedlung. Häuser, die ausschließlich für öffentliche oder gewerbliche Zwecke genutzt werden, sind kaum zu finden. Kleinere Dienstleistungen, wie Friseure, sind in den Wohnhäusern untergebracht.9 Die Gebäudetypologie ist teilweise um einen terrassenartigen Außenbereich ergänzt, der das Anlegen der Kanus vereinfacht.2
Obwohl die Bewohner Makokos gemeinschaftlich zusammenleben, gibt es kaum öffentliche Orte. Die bereits erwähnten ”Nachbarschaftzentren” sollen das ändern. Die kleinen dezentralen Hotspots fördern die Kommunikation in der vielfältigen und veränderlichen Struktur Makokos. Den Kern dieser Zentren bilden einfach konstruierte Biogasanlagen, die mit organischem Abfall betrieben werden und von den Bewohner*innen bewirtschaftet werden. Neben dem kleinen Kraftwerk können die Orte auch als Kochstellen fungieren und sanitäre Anlagen oder Arztpraxen beherbergen. Das erste Nachbarschaftszentrum nahm 2015 den Betrieb auf.4
Neue Perspektiven für Makoko
In Makoko gab es lange Zeit nur eine Schule, die nicht annährend die Anzahl an Kindern unterbringen konnte, die in Makoko leben.9 Die schwimmende Schule wurde von dem nigerianischen Architekten Kunlé Adeyemi entworfen und soll die Bildungsmöglichkeiten in der Siedlung erweitern. Im Jahr 2013 wurde der erste Prototyp der dreieckförmigen Schule fertiggestellt. Die Schule wurde als Holzkonstruktion errichtet und greift damit auf ein lokal verfügbares Material zurück. Die Konstruktion schwimmt auf einer Plattform aus Plastikfässern. Neben Klassenräumen im zweiten Geschoss beinhaltet die Schule auch Grünflächen und einen Spielplatz für die Schüler. Leider brach die Schule 2016 aufgrund von starken Regenfällen zusammen. In den folgenden Jahren wurden bereits neue Versionen von schwimmenden Gebäuden entwickelt, die der Bevölkerung Makokos neue Perspektiven geben können, trotz des voranschreitenden Klimawandels, in ihrer Siedlung auf dem Wasser leben zu können.10
Auch interessant
Autor*innen
Quellen
- Kafka, Ines: Spiegel. Wasserslums in Lagos: Bedrohte Heimat. https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/wasserslums-in-lagos-bedrohte-heimat-a-1170694.html, 16.10.2017
- Obioha, Emeka Philip: issuu. Makoko Floating Community. https://issuu.com/emekaphilipobioha/docs/thesis_book_issue, 17.07.2018
- Oyinloye, Michael Ajide et al.: „Urban renewal strategies in developing nations: A focus on Makoko, Lagos State, Nigeria“. In: Journal of Geography and Regional Planning, 10(8), S. 229, 2017
- Nikolic, Jelena: Heinrich Böll Stiftung. Wie in Makoko Schwächen zu Stärken werden. https://www.boell.de/de/2015/06/11/wie-makoko-schwaechen-zu-staerken-werden, 11.06.2015
- Kaltwasser, Martin: „Lagos 2015 - noch immer ein Beispiel für Modernisierung?“. In: Bauwelt, 3/2016, S. 7, 2016
- Etomi, Isi: Architecture in Development. Makoko. https://www.architectureindevelopment.org/project.php?id=173#!prettyPhoto, 30.07.2012
- BBC. Nigeria housing: 'I live in a floating slum' in Lagos. https://www.bbc.com/news/world-africa-51677371, 05.03.2020
- NLÉ. MFS I – Makoko Floating School. http://www.nleworks.com/case/makoko-floating-school/, 2012
- Laghai, Shafagh: Weltspiegel - ARD. Nigeria: Die schwimmende Schule von Lagos. https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/videos/nigeria-die-schwimmende-schule-von-lagos-100.html, 12.01.2014
- Public Delivery. Nigeria’s Makoko Floating School. Everything you need to know. https://publicdelivery.org/makoko-floating-school/, 20.12.2021
- Slum on stilts. A mother with a baby on her back paddles through dirty oily water of Nigeria's Makoko slum where up to 250,000 residents huddle in homes on the lagoon. https://www.dailymail.co.uk/news/article-2608506/Slum-stilts-A-mother-baby-paddles-dirty-oily-water-Nigerias-Makoko-slum-250-000-residents-huddle-homes-lagoon.html, 01.12.2020
- Insode Makoko. danger and ingenuity in the world´s biggest floating slum. https://www.theguardian.com/cities/2016/feb/23/makoko-lagos-danger-ingenuity-floating-slum#img-1, 01.12.2020
- Makoko Community. Lagos. https://www.behance.net/gallery/75145813/Makoko-Community-Lagos-Nigeria, 01.12.2020