Der siebte Bezirk Budapests ist vor allem bekannt für seine historischen Synagogen und seine bedeutenden Einkaufsstraßen – aber auch für seine Architektur: Besondere, über Laubengänge erschlossene Hofhäuser, in denen sich heute neben Wohnnutzungen auch dutzende sogenannte „Ruinenbars“, Pubs oder Biergärten befinden. Da die sehr dichte Bebauung des Viertels kaum Raum für öffentliche Freiflächen lässt, werden Hinterhöfe und Baulücken zu erweiterten Erdgeschosszonen, zu Kommunikations- und Begegnungsräumen für Bewohnende wie auch Besucher*innen.

Geschichte

Die in Budapest gelegene Erzsébetváros (deutsch Elisabethstadt) war die erste vorstädtische Siedlung östlich der mittelalterlichen Stadt Pest an der Donau. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde das Areal noch als Gartenbaugebiet genutzt. Kurz darauf ließen sich Menschen jüdischen Glaubens nahe den damaligen Stadtmauern nieder, die in der Folge die landwirtschaftlichen Flächen in Baugrundstücke unterteilten. Die ostwestlich verlaufenden Feldwege wurden zu Straßen ausgebaut, die bis heute existieren. Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die „Király“ „Király“ zu einer der wichtigsten Einkaufsstraßen der Stadt Pest.1 Das heutige Budapest entstand erst 1873, als sich die drei Städte Buda, Obuda und Pest zusammenschlossen.1 Erzsébetváros sowie ein Teilbereich des Viertels „Istvánmező“ wurden in diesem Zuge zum heutigen siebten Bezirk Budapests firmiert.2 Kurz darauf entstanden die „Andrássy Avenue“ (1875 bis 1885) und der „Grand Boulevard“ (1880 bis 1895), die heute für das Viertel charakteristisch sind. Im Viertel befinden sich insgesamt drei historische Synagogen, von denen die „Große Synagoge“ an der „Dohány Straße“ als größte Europas bekannt ist.3 Die Große Synagoge und das gesamte Jüdische Viertel stehen unter Denkmalschutz und gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe.4

Verortung

Regelwerk und Typologien

Bis 1838 wurde die städtebauliche Entwicklung des Viertels noch nicht durch eine Bauordnung geregelt. Die älteren Bereiche der Erzsébetváros, die ab dem Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden sind, weisen eine unregelmäßige Struktur auf. Dort beschreiben enge Gassen den öffentlichen Straßenraum. Die nach der Bauordnung gebauten Blöcken sind in einem gleichförmigen Raster strukturiert. In dieser Struktur entstand eine extrem dichte Bebauung - häufig mit nur einseitig, zum Hof hin belichteten, Wohnungen.4 Die rückseitig aneinandergrenzenden Hofhäuser wurden über enge Lichthöfe erschlossen, durch die man zu den Treppenhäusern gelangt. 

Hofhäuser

Neben den Treppenhäusern in den vorderen Bereichen der Gebäude, befinden sich teilweise zweite, privatere Aufgänge in den hinteren Bereichen.5 Geschossweise werden die Einheiten über Laubengänge erschlossen.5 Eckgrundstücke sind zumeist größer dimensioniert als innenliegende Parzellen. Durch ihre größere Tiefe verfügen einige Hofhäuser über mehrere, hintereinanderliegenden Höfe.5

Hofhäuser

Entwicklung

Budapests Stadtentwicklung des 18. Jahrhunderts fand vor allem organisch und spontan statt. Als die Städte Óbuda, Buda und Pest deutliche Bevölkerungszuwächse erlebten, waren planvollere Expansionen nötig. Auch die großen Zerstörungen der Flut im Jahr 1838 machten Platz für eine strategische Stadtentwicklung. Als direkte Reaktion auf das Hochwasser wurde im Baugesetz festgelegt, dass Erdgeschoss erhöht - oberhalb des höchsten Wasserstandes von über 3 m - liegen müssen.5 Teilweise wurde das gesamte Straßenniveau über den Höchststand angehoben.5 Nach der Vereinigung von Budapest wurde mit der Bauordnung von 1883 die maximal zulässigen Gebäudehöhen von den jeweiligen Straßenbreiten abhängig gemacht. So durfte beispielsweise an einer zehn Meter breiten Straße ein viergeschossiges Gebäude mit einer Höhe von 21 Metern gebaut werden. Zudem mussten die Gebäude von nun an als Hofhäuser aus feuerfestem Material errichtet werden. 1914 wurden die Vorschriften erneuert. Es wurde nicht nur die Mindestraumhöhe von 2,60 auf 2,80 m angehoben, sondern Straßen waren von da an mindestens 15 m breit zu planen.5

Infrastruktur

Die Erzsébetváros wird in erster Linie über die beiden großen Ringstraßen der Stadt erschlossen, wobei der äußere Ring das Viertel quert und es in zwei Teile trennt. Entlang dieser Ringstraße gibt es einige Tram- sowie Metrostationen, sodass das Gebiet auch an den öffentlichen Personennahverkehr gut angebunden ist.6 Innerhalb des Viertels verkehren Busse.7 Das Quartier wird von zwei rund 30 m breiten Hauptstraßen eingerahmt: Im Süden die „Rakoczi-Straße“ und im Norden die „Andrássy Avenue“ unter der die älteste Metrolinie auf dem europäischen Festland verläuft. Die beiden Ringstraßen sind durch vertikal verlaufende sekundäre Erschließungsstraßen, wie zum Beispiel die „Király-Straße“, miteinander verbunden. Diese Sekundärerschließungen sind 15 m breit, während die tertiären Einbahnstraßen, wie die „Kis Diófa-Straße“, nur eine Breite von ca. 8 - 10 m aufweisen.5

Ringstraßen
Kiraly Straße
Kis-Diófa Straße

Öffentlicher Raum

Die dichte Bebauung des jüdischen Viertels lässt kaum Raum für Freiflächen. Im östlichen Teil, außerhalb der Ringstraße, ist die Bebauung etwas neuer und aufgelockerter, sodass dort mehr Freiräume vorzufinden sind. Im Westteil der Erzsébetváros befindet sich der zentral gelegene Kauzál-Platz - einer der wenigen größeren öffentlichen Räume. Er erstreckt sich über etwa einen halben Block und ist in die Blockrandbebauung eingebunden. Am nördlichen Gebietsrand befindet sich das „Oktogon“, ein zentraler Verkehrsknotenpunkt, an dem sich die „Andrássy Avenue“ mit der äußeren Ringstraße kreuzt. Im Gebiet befinden sich darüber hinaus nur zwei weitere, deutlich kleinere, öffentliche Plätze. Öffentliche Nutzungen verlagern sich dadurch oftmals in die Erdgeschosse und in die Souterrains sowie in die Hinterhöfe der Gebäude.5

Öffentliche Nutzung und Sonderbausteine

Programme

Das belebte Viertel besitzt eine große Anzahl an Restaurants, Bars und Shops. Diese sind in den Erdgeschossen sowie in den Souterrains der Gebäude angesiedelt. Auch die Hinterhöfe sowie Baulücken werden in die öffentliche Nutzung mit einbezogen. Hier befinden sich heutzutage kleinere, lokale Geschäftsmodelle, wie die sogenannten „Ruinenbars“ (Szimpla Kert), Pubs, Biergärten, Streetfood- oder Urban-Gardening- Bereiche.5

Die privat genutzten Hinterhöfe sind über einen weitläufigen Korridor und durch ein straßenseitig gelegenes, großes Eingangstor erschlossen. Sie bieten Raum für die Bewohnenden, miteinander in Kontakt zu treten. Die vorgehängten Laubengänge ermöglichen hier, zusätzlich zur funktionalen Erschließung, auch Kommunikationsbereiche. Die Höfe werden durch die hohe städtische Bebauung zumeist verschattet und können daher nur eingeschränkt begrünt werden. Ein Zusammenschluss der Höfe ist aufgrund der Gebäudetypologie nicht möglich.5

Öffentliche Nutzung-Isometrie
 

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Autor*innen

  • Larissa Hammersen (Leibniz Universität Hannover, Abteilung für Stadt- und Raumentwicklung, Wintersemester 2019)
  • Lea Hasbach (Leibniz Universität Hannover, Abteilung für Stadt- und Raumentwicklung, Wintersemester 2019)

Quellen

  1. Locsmándi, Gábor / Szabó, Árpád: Guidebook for an urban ecological tour on housing in the city of Budapest, S. 8, 2, 8, Budapest 2007
  2. wikipedia. Budapester Bezirke. https://de.wikipedia.org/wiki/Budapester_Bezirke, 06.02.2020
  3. Bánk, Gyökhegyi: Ilyen is volt Budapest. 1890, Dohány utca, a Dohány utcai zsinagóga. http://www.ilyenisvoltbudapest.hu/ilyen-is-volt/hetedik-kerulet-erzsebetvaros/item/zsinagoga, 12.02.2020
  4. Wikipedia. VII. Budapester Bezirk. https://de.wikipedia.org/wiki/VII._Budapester_Bezirk, 06.02.2020
  5. Lélek, Viktória Éva: Urban Parterre Budapest, S. 68-75, 82, 60-63, 46-51, 27, 46 - 53, 102f, 105, 117, 119, Wien 31.10.2019
  6. Wolters Kluwer Hungary. Budapest Főváros VII. kerület Erzsébetváros Önkormányzata Képviselő-testületének: Budapest Főváros VII. kerület Erzsébetváros Önkormányzata Képviselő-testületének 25/2017. (X. 09.) önkormányzati rendelete - 1.oldal - Önkormányzati rendelettár. https://net.jogtar.hu/rendelet?council=erzsebetvaros&dbnum=560&docid=A1800001.07R&searchUrl=/rendelet-kereso/gyors%3Fcouncil%3Derzsebetvaros, 2017
  7. BKK Budapesti Közlekedési Központ. Budapest belvárosának közösségi közlekedése. https://bkk.hu/apps/docs/terkep/belvaros.pdf, 12.02.2020
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