Geprägt vom orthogonalen Straßennetz und der gleichförmigen Bebauung, bildet die Baixa das unverwechselbare, historische Zentrum Lisabons. Das Viertel wurde im 18. Jahrhundert aufgebaut, nachdem die mittelalterliche Stadt einem Erdbeben zum Opfer gefallen war. Besonders innovativ war nicht nur die rationale Bauweise, sondern dass die Ideale der Aufklärung den neuen Stadtgrundriss bestimmten. Bis heute hat der Entwurf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen der Stadt überdauert.

Einleitung

Lissabon, die Hauptstadt Portugals, liegt an der Westküste der Iberischen Halbinsel an einer seeartigen Erweiterung des Tejo, kurz vor seiner Mündung in den Atlantik. Die Stadt stellt das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum Portugals dar und verfügt über den wichtigsten Hafen des Landes. Lissabon ist heute in 24 Stadtgemeinden gegliedert. Der historische Stadtteil Baixa liegt im Südosten von Lissabon und gehört zur Stadtgemeinde Santa Maria Maior. Er befindet sich in einer Talsenke zwischen der Oberstadt und den beiden Stadtteilen Chiado und Alfama und bildet bis heute das eigentliche Zentrum Lissabons. 1 Dabei umfasst er ein Areal von etwa 550 mal 380 Metern, welches sich zwischen den beiden Plätzen Praça Dom Pedro IV und Praça do Comércio befindet.2

Verortung vom Stadtteil Baixa

Geschichte

Lissabon entwickelte sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts zu einer der wichtigsten Schifffahrts- und Handelsmetropolen in Europa, sowie zu einer mächtigen Kolonialmacht. Dabei wuchsen der Handel und das Gewerbe in der Stadt stark an – Lissabon befand sich in seinem „Goldenen Zeitalter“.3 Mitte des 18. Jahrhunderts zählte Lissabon schon etwa 270.000 Einwohner. Doch der Aufschwung der Stadt wurde 1755 durch eine verheerende Naturkatastrophe unterbrochen. Der Großteil von Lissabon wurde durch ein starkes Erdbeben mit anschließendem Tsunami und tagelangen Bränden zerstört. Sämtliche vierzig Pfarrkirchen, etwa 54 Klöster, alle Krankenhäuser und über dreißig Paläste der Aristokratie fielen der Naturkatastrophe ebenso zum Opfer, wie die meisten Wohnhäuser. Der historische Stadtteil Baixa war dabei von der Naturkatastrophe am stärksten betroffen und fast komplett zerstört.2 Bis dahin war er geprägt durch enge Straßen und Gassen, Baublöcke unterschiedlicher Größen und Zuschnitte, sowie geschwungener Straßenverläufe und vielen Kirchen. Die gewachsene Stadtstruktur war ausgesprochen unübersichtlich und schier unpassierbar.1

Nach der Zerstörung wurde Sebastião José de Carvalho e Mello als Marquês de Pombal zum ersten Minister ernannt und ordnete eine neue, genaue Katasteraufnahme des Gebietes an. Zudem gab er Pläne für einen schnellen Wiederaufbau der Hauptstadt und vor allem der Baixa in Auftrag und verbot den Einwohnern, Lissabon zu verlassen oder außerhalb der Stadtgrenzen zu bauen. Bis ein offizieller Wiederaufbau stattfand, untersagte er jeden individuellen Wiederaufbau und ließ sogar illegal errichtete Häuser wieder abreißen. Sein Ziel war es, das neue Lissabon in einem neuen und einheitlichen Plan zu errichten.2 Dies geschah in einer Zeit, in der die Ideale der Aufklärung auch bis nach Portugal gedrungen waren. Auch Marquês de Pombal war ein Anhänger der Aufklärung und legte großen Wert darauf, dass die zukünftigen Pläne diesen Idealen entsprachen.1

Manuel da Maia, ein Chefingenieur des Königreichs, entwickelte in den folgenden Monaten vier Hypothesen für einen Wiederaufbau der Baixa und reichte drei Berichte, sogenannte Dissertaçao, ein, in denen er die wichtigsten Probleme des Wiederaufbaus erörterte und mögliche Lösungen nannte. Des Weiteren bildete er drei Arbeitsgruppen aus Offizieren, die als Ingenieure oder Architekten ausgebildet waren und die Alternativpläne für den Wiederaufbau entwickeln sollten. Dabei sollten sie die Erkenntnisse aus den Dissertações beachten und jeweils zwei verschiedene Planungsvarianten für die Baixa entwerfen: eine, die die historischen Kirchenstandorte erhalten sollte und eine weitere, die darauf keine Rücksicht zu nehmen brauchte. In einer der Planungsgruppen waren Eugénio dos Santos und Carlos Andreias vertreten. Diese Arbeitsgruppe bekam völlige Freiheit in Bezug auf das historische Straßensystem. 1758 erklärte man schließlich den Plan von Eugénio dos Santos für rechtskräftig, den er in der Zwischenzeit mit dem ungarisch-portugiesischen Offizier und Architekten Carlos Mardel stark überarbeitet hatte.2 Der neue Plan setzte auf eine komplette Neustrukturierung des Stadtteils und entsprach mit einem strengen orthogonalen Straßenraster und verzichtete fast vollständig auf die Berücksichtigung der ehemaligen Kirchenstandorte. Die kompromisslose Rationalität des Plans und die Verdrängung der Kirche aus dem Stadtbild sollte den Idealen der Aufklärung Rechnung tragen. Der Plan wurde umgesetzt und es entstand eine städtebaulich bemerkenswerte Anlage, die über 250 Jahre überdauert.1

Zustand Baixa vor 1755
Zustand Baixa nach 1755

Regelwerk

Die Grundlage des Plans bildete ein strikt orthogonales Raster mit länglichen Stadtblöcken, die eine sehr hohe und dichte Bebauung vorsahen.1 Dabei sind die Baublöcke im Norden in Nord-Süd-Richtung angeordnet und im Süden in Ost-West-Richtung. Nach den Idealen der Aufklärung, welche sich gegen die kirchliche und staatliche Bevormundung wandten, wurde fast vollständig darauf verzichtet die ursprünglichen Kirchenstandorte in der Baixa wieder aufzunehmen. Dien die Kirchen sollte weitestgehend aus dem neuen Stadtraum herausgehalten werden.2 Ebenso wurden die und die Paläste des Adels weitgehend aus dem Stadtraum herausgehalten, wenn auch eher aus Sicherheitsbedürfnissen.5 Die beiden großen Plätze Praça Dom Pedro IV und Praça do Comércio im Norden und Süden der Baixa wurden dabei als urbane Zentren beibehalten und sollten zusätzlich durch lange Straßenachsen miteinander verbunden werden. Die Hauptstraßen in der Baixa sollten etwa dreizehn Meter breit sein und die Nebenstraßen knapp neun Meter. Entlang aller Straßen wurden auf beiden Seiten Bürgersteige mit jeweils zwei Metern Breite eingeplant.2

Die Architektur für den Wiederaufbau war geprägt von der Notwendigkeit schnell und preisgünstig zu bauen. Dies führte zu einer Typisierung der Bauten, die für weite Teile der Baixa gedacht waren.5 Die Gebäude sollten viergeschossig werden und eine kommerzielle Erdgeschosszone mit Lagerräumen und Läden aufweisen. Darüber waren drei Obergeschosse, sowie eine Mansarde zum Wohnen vorgesehen. Insgesamt lassen sich drei verschiedene Fassadentypen unterscheiden, die allesamt von dos Santos entwickelt wurden:

Der Fassadentyp A war für die Hauptstraßen bestimmt und besteht im Erdgeschoss aus einer Reihe alternierender, mit Kalksteingewänden versehenen Türöffnungen. Darüber befinden sich drei Wohngeschosse mit hohen Fenstern und schließlich ein viertes Geschoss mit Mansardenfenstern. Im ersten Obergeschoss waren zusätzlich Balkone vorgesehen. Die Fassade, die aus einer horizontalen und vertikalen Reihung weitestgehend gleicher Elemente besteht, wirkt insgesamt sehr schlicht. Die Fassadentypen B (in den Hangstraßen) und Fassadentypen C waren für die Nebenstraßen bestimmt. Sie beruhen zwar auf den gleichen kompositorischen Prinzipien wie Typ A, weisen jedoch eine zunehmende Reduktion des ohnehin minimalen Dekors auf. Die Fassaden sollten dem neuen Stadtteil in seinen, stellenweise über einen halben Kilometer langen Straßen, ein zurückhaltendes und gleichförmiges Gesicht verleihen.

Die Baumaterialien sollten so vereinheitlicht werden, dass alles dezentral vorbereitet, angeliefert und versetzt werden konnte. Zudem wollte man aus dem Unglück lernen und nutzte eine erdbebensichere Fachwerkkonstruktion, die der Wiederaufbau von Baixa zu einem guten Beispiel für die frühe Entwicklung von erdbebensicherem Bauen machte.6 Darüber hinaus wurden zwischen den Häusern Wände weit über das Dach hochgezogen, um einen Brandüberschlag zu verhindern. Innen waren die Häuser mit nebeneinanderliegenden, gleichförmigen Räumen ausgesprochen rudimentär ausgestattet. Insgesamt finden sich in allen Haustypen die immer gleichen Elemente, die nur geringfügig variieren, sodass die Unterschiede zwischen den Gebäuden kaum zu erkennen sind.

Die Bebauung in der Baixa ist sehr dicht. Die Häuser verfügten im rückwärtigen Bereich nur über einen schmalen kleinen Belichtungs- und Belüftungshof. Sehr fortschrittlich hingegen war der sanitäre Standard: Die Baixa ist ein sehr frühes Beispiel einer europäischen Stadt mit unterirdischer Kanalisation. Die Abwasserkanäle wurden in der Mitte der Straßen verlegt.2

Ansicht Fassadentyp A
Schnitt Gebäude und Abwassersystem

Entwicklung 

Die sachliche Bauweise der Baixa sollte stilprägend für Portugal werden. Noch heute sind zahlreiche Gebäude aus der Zeit Marquês de Pombal´s zu finden – nicht nur in Lissabon zu sehen. Nach 1755 verbreitete sich diese Bauweise im ganzen Land und wurde schließlich nach ihrem Baumeister „pombalinisch“ genannt.5

Auch wenn der Wiederaufbau unter Leitung des Marquês de Pombal festen Strukturen folgte, die den Stadtteil bis heute prägen, so hat sich die einheitliche Bebauung im Laufe der Jahre weiterentwickelt und Teile ihrer Einheitlichkeit verloren. Bei vielen Gebäuden wurde eine Aufstockung vorgenommen, vermutlich durch die steigende Einwohnerentwicklung Lissabons im 19. und 20. Jahrhundert. So hatte die Stadt im Jahr 1981 einen Höchststand von 807.973 Einwohnern. Nur bei wenigen Gebäuden wurde das Erscheinungsbild der Fassade durch die Nutzung anderer Materialien verändert. Dennoch ist der harmonische Gesamteindruck bestehen geblieben.

Zudem wurden Teile aus dem Wiederaufbauplan von dos Santos und Mardel anders realisiert als ursprünglich geplant. Das im Norden gelegene, stark zerstörte Krankenhaus wurde nach der Katastrophe nicht wie wieder aufgebaut. Stattdessen entstand dort eine große Freifläche, der Praca da Figueira. Seit 1885 stand dort eine große Markthalle, die jedoch 1949 wieder abgerissen wurde, sodass der heute bekannte Platz entstand.18

Nach der Katastrophe wurde darauf verzichtet, auf dem Platz Praça do Comércio das Königsschloss neu zu errichten. Stattdessen sollte der Platz ganz dem Handel und der Wirtschaft dienen. Dies wurde allerdings durch das aufkommende Industriezeitalter durchkreuzt. Die damals dort angesiedelten, exklusiven Handwerksbetriebe und Manufakturen, verloren rasch an Bedeutung. Der Platz wandelte sich zu einem von Verwaltungsfunktionen geprägten Stadtplatz.2

Verkehr/Infrastruktur

Das Straßennetz des Stadtteils Baixa Pombalina zeichnet sich durch eine erkennbare Hierarchie aus. Bestimmt durch Breite und Nutzung der Straßen, gliedern sie sich in einen regelmäßigen orthogonalen Plan ein.7 Zudem lässt sich das Gebiet in zwei Bereiche unterteilen. Im nördlichen Teil erstrecken sich die Straßen vertikal und die Fußgängerzonen horizontal, im südlicheren Bereich hingegen, sind die befahrbaren Wege horizontal angelegt. Lediglich die vier großen Hauptstraßen R. AureaR. da PrataR. dos Fanqueiros und R. da Madalena verbinden die nördlichen Plätze Praça da Figueira und Praça Dom Pedro IV und den südlichen Praça do Comércio vertikal.   

Die zweispurigen Einbahnstraßen zeichnen sich durch breite Fahrspuren aus, die teilweise von der Straßenbahn mitgenutzt werden. Für Fußgänger stehen, je nach Straße, unterschiedlich breite Bürgersteige zur Verfügung. Die breiten Gehwege in den Straßen R. Aurea und R. da Prata zeichnen sich durch die zusätzliche Nutzung als Erweiterung der Verkaufsfläche sowie durch Sitzmöglichkeiten der Restaurants und Cafés aus. Die beiden anderen Hauptstraßen verfügen über sehr schmale Gehwege und können deshalb nicht durch anders genutzt werden, jedoch verfügen sie über Stellplätze, von denen im Stadtviertel nur wenige vorhanden sind. Neben Stellplätzen in den Nebenstraßen gibt es vereinzelt Tiefgaragen. Mit einer geringen Breite heben sich die Nebenstraßen von den Hauptverkehrsachsen deutlich ab. Sie setzen sich aus einer Fahrspur und Stellplätzen zusammen und werden seitlich durch sehr schmale Gehwege ergänzt.    

Die Fußgängerzonen sind zahlreich im Stadtviertel verteilt und sind von großer Bedeutung. Es gibt die breite Promenade R. Augusta die vom Praça Dom Pedro IV bis zum Praça do Comércio reicht. Highlight ist, neben den zahlreichen Geschäften und Restaurants, der Arco da Rua Augusta. In der Breite ähnelt die Promenade den Hauptverkehrsachsen. Des Weiteren gibt es noch die R. dos Correeiros als vertikal verlaufende Fußgängerzone. Im nördlicheren Bereich des Viertels sind zudem alle horizontal verlaufenden Zonen zwischen den Häuserblöcken für den Fußgängerverkehr ausgelegt. Restaurants und Cafés haben hier großzügig ihre Außenbereiche gestaltet. Erkennbar sind die Bereiche für die Fußgänger durch den besonderen Fußbodenbelag mit gemustertem Pflaster in schwarz-weiß, welcher sich durch alle Gehwege und Fußgängerzonen zieht. Diese sogenannten “Calçada Portuguesa” bestehen aus weißem Kalkstein und schwarzem Basalt. Während des Wiederaufbaus wurden die Bürgersteige in ihrer Gestaltung zunächst vernachlässigt, aber später ergänzt. Mitte des 19. Jahrhunderts erhielt der Praça Dom Pedro IV seine nun typische Erscheinung mit einer optischen Täuschung durch die Gestaltung mit einem  Wellenmotiv.8

Straßenhierarchie
Hauptstraße
Nebenstraße

Öffentlicher Raum

Das öffentliche Leben in der Baixa Pombalina findet auf den drei Stadtteilprägenden Plätzen Praça Dom Pedro IV, Praça da Figueira und Praça do Comércio statt.  

Am Fluss Tejo angrenzend befindet sich der Praça do Comércio, welcher den Auftakt aus Richtung des Wassers bildet. Die fast 28 000 m² große Fläche9 ist mit seinen Cafés und aufgrund seiner Historie ein Touristenmagnet. Die heutige, u-förmig umlaufende Architektur wurde in Anlehnung an den ehemaligen Palast mit Arkaden versehen.10 Ehemals als Ort des Königlichen Palastes und dessen wertvoller Bibliothek war er damals schon ein Knotenpunkt für den Handel.11 Auch heutzutage ist er aufgrund seiner Büroflächen für Zoll- und Hafenverwaltung mit dem Handel verbunden.

Den Übergang in die Baixa Pombalina bildet der prächtige Torbogen Arco da Rua Augusta und lenkt auf die Hauptachse, die Fußgängerzone. Diese hebt sich durch einen abgesetzten Bodenbelag von den umliegenden Straßen ab und zeichnet sich als Hauptgeschäftsstraße der Stadt Lissabon aus. Die Erdgeschosse öffnen sich in Richtung der Gasse und bilden aufgrund der zahlreichen Cafés und Restaurants einen schmalen, langen “Platz” aus. Dieser stellt eine Verbindung zu den zwei im Norden befindlichen Plätzen, Praça Dom Pedro IV und Praça da Figueira, her. Der Praça da Figueira bildet dabei hauptsächlich eine Funktion als Verkehrsknotenpunkt. Verschiedene Busse und Straßenbahnen sowie die Metro fahren hier ab. Als Trainingsort für Skater ist er zudem Treffpunkt für jüngere Leute. Am Wochenende wird er zudem für einen Wochenmarkt genutzt.

Der letzte und wichtigste Platz ist der Praça Dom Pedro IV, auch Rossi genannt. Abgeschlossen wird dieser mit dem Teatro Nacional D. Maria II. Durch die umliegenden Restaurants, Geschäfte und durch seine Bushaltestellen wird der Platz von stetigem Treiben geprägt. Er ist der einzige, nicht neu geplante Platz, dessen Gestalt und Geschichte bis ins Mittelalter zurückreichen. Er war lange Zeit das Zentrum des öffentlichen Lebens und Ort von Stierkämpfen, Militärparaden, Märkten und politischen Ereignissen.12 Mit der Neuplanung der Baixa verlor der Platz zeitweise an Bedeutung, aber konnte diese Verkehrsknotenpunkt und Herz der Stadt wieder zurückgewinnen. Neben den drei großen Plätzen befinden sich in den Fußgängerzonen weitere kleine Bereiche, die durch ihre angrenzenden Gebäude und deren Nutzungen bestimmt werden, wie zum Beispiel durch die Kirche Igreja de São Nicolau.   

Querschnitt Praça Dom Pedro IV

Verteilung der Plätze 
 
Fußgängerzone
  

Programme

Das Stadtviertel wird stark von Tourismus und Einzelhandel geprägt. Dies ist vor allem an den zur Straße ausgerichteten, kommerziell genutzten Erdgeschossen erkennbar. Wegen der intensiven Verwendung des Außenbereiches für Verkaufsständen im Außenbereich, gehen Innen- und Außenräume fließend ineinander über. Neben kommerziellen Nutzungen im Erdgeschoss befinden sich dort auch vermehrt Unterkünfte für Touristen mit halböffentlichen Nutzungen in Richtung Straße. Neben den Tagestouristen, die vor allem vom nahegelegenen Kreuzfahrtterminal kommen, sorgen auch die Bewohner*innen der vielen Airbnbs, Hotels und Hostels für eine touristisch geprägte Urbanität, die aber tageszeitlich und saisonal stark variiert.

Optisch wird das Erdgeschoss durch Französische Balkone und einer veränderten Gestaltung der Fensteröffnungen der oberen Geschosse vom restlichen Gebäude abgegrenzt. Die Erschließung der Wohnetagen erfolgt über große Hauseingänge zwischen dem Gaststättengewerbe und den Verkaufsstätten. Im gesamten Stadtteil ist kaum ein Kontrast zwischen den privaten und öffentlichen Räumen vorhanden. Eine Übergangsphase durch Innenhöfe und Vorgärten oder andere Rück- und Vorsprünge sind hier nicht auffindbar. 

Vom Wohnungsleerstand zur Gentrifizierung 

Wirtschaftlich und kommerziell geprägt ist die Baixa Pombalina heutzutage weniger als Wohngebiet einzuordnen. Entwickelt hat sich dies durch das Zusammenspiel von mehreren Faktoren. Bis vor wenigen Jahren waren verfallene Häuser und Wohnungsleerstand alltäglicher Bestandteil des Viertels. Verstärkt hat sich dies durch den hohen Wegzug der Lissaboner aus der Innenstadt sowie der hohe Anteil an über 65-jährigen Menschen. Beide Werte weisen im europäischen Vergleich Höchstwerten auf.13 Mit der 1947 durch den Diktator Salazar verhängten Mietpreisdeckelung konnten die Lebenshaltungskosten der Lissaboner gering niedrig werden14, jedoch führten die geringen Mieteinnahmen zu einem erheblichen Sanierungsstau. Bis 2012 wurden die Mieten lediglich an die Inflation angepasst.15 Mit dem Beginn des Projektes ”Goldenes Visum” konnten ab 2012 Nicht-EU-Bürger durch hohe Investitionen im Land und durch den Erwerb von Immobilien ein Visum erhalten.16 Zusammen mit den neuen Investitionsfonds kurbelten diese Maßnahmen den Immobilienmarkt an.15 Mit dem zeitgleichen Stopp des Mietdeckels stiegen die Preise am Immobilienmarkt und die wenigen Einheimischen, die noch in dem historischen Stadtviertel lebten, konnten die Mieten nicht mehr aufbringen.

Währenddessen boomte der Tourismussektor in der Stadt und der Bedarf an Unterkünften wuchs. 2019 überstieg die Anzahl der Touristen in der Stadt Lissabon mit 4,5 Millionen die Zahl der Einwohner*innen um eine Vielfaches. 10

Leerstehende Wohnungen wurden in Kurzzeitwohnungen umgewandelt und generieren in den historischen Stadtteilen einen Anteil von 20% der Wohneinheiten.17 Um diesen Entwicklungen entgegen zu wirken entwickelte die Stadt Lissabon und das Land Portugal verschiedene Leitprojekte. Durch den Kauf einer Immobilie ist es seit 2022 nicht mehr möglich ein ”Goldenes Visum” zu erhalten.16Außerdem sollen Vermieter*innen von Kurzzeitwohnungen durch das Förderprogramm ”Safe Rent” ermutigt werden, ihre Wohnungen für das Langzeitwohnen bereitzustellen. Im Gegenzug wird den Vermietern*innen die Mietsumme von bis zu drei Jahren im Voraus gezahlt.17  

Aber die Probleme des Stadtteils sind damit nicht gelöst. Zwar mag der Rückgang von Kurzzeitwohnungen und anderen touristischen Angeboten die Abwanderung der einheimischen Bevölkerung bremsen, wirkt sich aber negative auf die wirtschaftliche Situation des Viertels aus.17 Ob es der Baixa in Zukunft gelingen wird, touristisch und zugleich autochthon zu sein, muss sich noch erweisen.

 

Autor*innen

  • Jessica Koppers (Leibniz Universität Hannover, Abteilung für Stadt- und Raumentwicklung, Sommersemester 2022)
  • Lisa-Marie Tegt (Leibniz Universität Hannover, Abteilung für Stadt- und Raumentwicklung, Sommersemester 2022)

Quellen

  1. Missler, Eva: Lissabon. Das Bild der Stadt und die Stadt als Bild, S. 54-59, Aachen 1997
  2. Lampugnani, Vittorio Magnago: „Auf dem Weg zur Aufklärung. Geometrische Stadtordnungen in Sizilien und Lissabon“. In: Die Stadt von der Neuzeit bis zum 19. Jahrhundert, S. 148-165, Berlin 2017
  3. Tovar, Christiane: Südeuropa. Lissabon. https://www.planet-wissen.de/kultur/suedeuropa/lissabon_metropole_am_fluss/index.html, 20.07.2022
  4. Schau, Peter: „Lissabon nach 1755 – Die Entstehung einer aufgeklärten Stadt“. In: Die alte Stadt, 29, S. 208-224, 2002
  5. Lippitz, Ulf: Fünf Hügel am Tejo. https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/lissabon-fuenf-huegel-am-tejo/19854510.html, 20.07.2022
  6. Unesco World Heritage Convetion: Unesco. Pombaline Lisbon. https://whc.unesco.org/en/tentativelists/6226/, 01.08.2022
  7. Jacobowsky, Bárbara Fernanda: Nacionalidade Portuguesa. Calçada Portuguesa - história e arte. https://www.nacionalidadeportuguesa.com.br/calcada-portuguesa-historia-e-arte/, 02.08.2022
  8. Portugal360°: Portugal360. Baixa von Lissabon - Bairro da Baixa. https://www.portugal360.de/urlaub-reisen/sehenswuerdigkeiten/baixa-lissabon, 02.08.2022
  9. Hentschke, Steffi: Zeit Online. Overtourism. Das doppelte Lissabon. https://www.zeit.de/entdecken/reisen/2019-01/lissabon-off-season-overtourism-winter-staedtereise, 02.02.2019
  10. Hammer, Gerd: Lissabon. Geschäftige Unterstadt - Baixa, Ostfildern 2019
  11. Becker, Kathleen / Roy, Sally: Lissabon. Perfekte Tage in der weißen Stadt, 2016
  12. El País: voxeurop. Geisterstadt Lissabon. https://voxeurop.eu/de/geisterstadt-lissabon/, 10.08.2010
  13. Beck, Johannes: Zeit Online. Wussten Sie, dass …: Verfallende Schönheit. https://www.zeit.de/reisen/2011-12/lissabon-altstadt-immobilie, 07.12.2011
  14. Wagner, Tilo: Deutschlandfunk. Portugal hadert mit dem Troika-Erbe. https://www.deutschlandfunk.de/wohnungsnot-portugal-hadert-mit-dem-troika-erbe-100.html, 11.06.2019
  15. Astrantia Consulting AG: Wohnsitz durch Investition. Portugiesisches goldenes Visum für Investoren. https://www.astrantia-consulting.ch/de/residency-by-investment/portuguese- investor-visa, 02.08.2022
  16. Warren, Hayley / Almeida, Henrique: Bloomberg. Airbnb Hosts Resist Lisbon´s Plan to Free Up Housing. https://www.bloomberg.com/graphics/2020-airbnb-short-let-reforms-lisbon/, 28.07.2020
  17. Smarttravelers: Praça da Figueira. https://www.smarttravelers.de/sehenswuerdigkeiten/portugal/lissabon/praca-da-figueira/, 28.07.2020
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